Elisabeth Dauthendey - Erotische Novellen

Lebens vorüber, von dessen dunklen und glühenden Geheimnissen die Wurzeln ihres Wesens noch unberührt waren. Von der Kapelle am Ufer fielen sieben Schläge in die Luft, die wie runde Perlen in das Wasser hinglitten. Jetta öffnete die Augen, schaute ein wenig verstört um sich. – Wie schön habe ich geträumt – lauter Farben – eine rote Wiese voller bunter Blumen – ein Engel flog darüber hin und küßte mich. – Heute habe ich Else's Kleine gesehen – sagte Bella. O so etwas Wundersüßes – die Füßchen und Händchen – das Mündchen und die feinen Härlein – o so wundersüß – ich möchte einmal viele, viele Kinder haben. – Wißt ihr schon, daß Paul kommt – sagte Erda – morgen schon – der ist jetzt Student – wie er wohl aussieht? – So sprachen sie zueinander und doch nur zu sich selbst. Noch waren ihre Seelen unfrei und nur an sich selbst gebunden. – Gib acht – Bella, wir müssen anlegen. Sie waren an der kleinen Insel angelangt, wo sie im Sommer ihren Abend verbrachten. Wie sie diese Insel liebten. Geheimnisvoll raunte es da in den üppigen Bäumen, deren Geäst in dunklem, schwerem Gewirr vor der verglühenden Abendsonne stand. Im hohen, schwanken Schilf plätscherten die kleinen Wellen, im hellen Grase leuchteten noch späte Sommerblumen. Hier fühlten sie sich seltsam frei und geborgen vor so vielem, das draußen sie so fremd und herrisch und drohend in seiner Unverständlichkeit umgab. Sie hatten sich einen zarten Gottesdienst für diese Abendstunde ersonnen, den sie täglich in kindlich geheimnisvoller Weise begingen. – Wir wollen unsere Bäume grüßen – sagte Bella – Und die Drei faßten sich an den Händen und schritten in schönem Reigentakt zur Mitte der Insel, wo drei hohe, schlanke Birken im eigenen Silberlichte leuchteten. – Ich grüße dich – rief jede und eilte zu dem Baume, den sie sich erwählt. – Mein lieber, schöner, schöner Baum – sagte Erda und streichelte mit zärtlichen Händen den schlanken, seinen Stamm.

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